Das Alþing in Þingvellir

Das älteste Parlament der Welt sitzt auf zwei Erdplatten

Der Nationalpark  ist Islands Þingvellir bedeutendste historische Stätte. Vom Jahr 930 bis zu seiner Auflösung durch die Dänen im Jahr 1798 fand hier alljährlich das Alþing statt, die politische Generalversammlung aller Isländer,  während der die wichtigsten Entscheidungen in der Geschichte Islands gefällt wurden.  Þingvellir gehört seit dem Jahr 2004 auch zum UNESCO Weltkulturerbe, weil die Stätte auf einzigartige Weise nordisch-germanische Kultur widerspiegelt und die Dauerhaftigkeit einer Volksgemeinschaft über fast 800 Jahre symbolisiert.

_V5Q9756Die Nationalversammlung der freien Männer
Das Alþing wurde im Jahr 930 als Generalversammlung der jungen isländischen Nation gegründet. Hier trafen die Anführer, die goðar, aus dem ganzen Land zusammen, um Streitigkeiten beizulegen, Gesetze zu schaffen und zu verkünden. Die Exekutive lag nicht in den Händen der Versammlung. Das Alþing wurde als das wichtigste politische Treffen angesehen. Es fand jedes Jahr über zwei Wochen statt. Alle freien Männer Islands mit einem bestimmten Mindestvermögen mussten daran teilnehmen, zusätzlich fanden sich auf dem weitläufigen Gelände Bauern, Kaufleute, Geschichtenerzähler und Reisende ein, und natürlich Leute, die einen Streit geschlichtet haben wollten. All diese Gäste errichteten ihre Zelte und Buden während der Dauer des Alþings auf dem Gelände von Þingvellir.  Überreste von etwa 50 solcher Bauten aus Torf und Steinen konnten archäologisch freigelegt werden und sind zu besichtigen. Im Zentrum der Volksversammlung stand der lögberg, der Gesetzesberg. Von diesem Berg an der Schlucht Almannagjá aus sprach der Gesetzessprecher die Gesetze für die Versammlung vor und verkündete Urteile.

Entscheidungen, die Geschichte machten
IThjodbuningurn Þingvellir  wurden viele bedeutende Entscheidungen getroffen. Die vielleicht wichtigste dieser Entscheidungen war die Übernahme des Christentums im Jahr 1000. Zu jener Zeit gab es in Island zwei Glaubensgrupen, Christen und Heiden lebten friedlich nebeneinander. Beide Gruppen hatten ihre eigenen Gesetzessprecher und lehnten jedoch beim Alþing die Gesetzessprechung der jeweils anderen Gruppierung ab. Diese Entwicklung gefährdete den Fortbestand der Volksversammlung. Die beiden Gesetzessprecher suchten daraufhin  nach einer Lösung und beschlossen, daß der heidnische Sprecher entscheiden solle, welche Glaubensrichtung übernommen werden solle. Þorgeir Ljósvetningagoði war sein Name, und er verbrachte den Geschichten zufolge die ganze Nacht mit Nachdenken auf seinem Lager unter einem Fell. Am Morgen verkündete er das Ergebnis: Island solle den christlichen Glauben annehmen, doch Heiden dürften ihre Religion weiter im Stillem praktizieren. Þorgeirs Nacht unter den Fellen schuf eine bis heute gebräuchliche Redewendung im Isländischen: ‘að fara undir felldur – unter die Felle gehen’ bedeutet, über eine wichtige Entscheidung gebührend nachdenken zu müssen.

THINGVELLIR54Parlamentsgeschichte
Das Ende des 12. Jahrhunderts brachte große Veränderungen für Island und sein A þling: nach dem Bürgerkrieg während der Sturlungen-Ära schlossen Island und Norwegen ein Steuer- und Handelsabkommen. Mit Übernahme der beiden Gesetzesschriften ‚Codex Járnsída‘ im Jahr 1271 und der ‚Jónsbók‘ im Jahr 1281 wurde die Exekutive, die bislang in den Händen des isländischen Volkes gelegen hatte, an den norwegischen König abgegeben. Die Legislative jedoch fand weiterhin Ausübung durch sowohl die norwegische Krone als auch das Alþing. Jedes zu verabschiedende Gesetz hatte weiterhin das Alþing zu passieren. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts gelangten Island und Norwegen schließlich durch Erbfolge unter dänische Herrschaft. Im Jahr 1662 musste Island sich Dänemark unterwerfen und verlor mit der Souveränität auch all seine legislativen Rechte. Das Alþing wurde jedoch bis zum Jahr 1798 in Þingvellir abgehalten, nun jedoch nur noch als oberstes Gericht. Danach wurde dieser Gerichtshof nach Reykjavík verlegt.

Picture 158Nationalpark in Island
Heutzutage ist Þingvellir ein geschütztes nationales Heiligtum. Nach einem Gesetz von 1928 soll das Gebiet für alle Zeiten im Besitz der Nation verbleiben und unter dem Schutz des heutigen Parlaments Alþings stehen, im Jahr 1930 wurde Þingvellir nach amerikanischem Vorbild zum Nationalpark erklärt, um vor Besiedlung und Nutzung bewahrt zu werden.

_MG_3408Das Weltkulturerbe
Þingvellir beeindruckt nicht nur wegen seiner historischen Bedeutung. Er ist auch so eine Schatzkiste für sich. Untersuchungen der letzten Jahre legen nahe, daß Þingvellir zu den Weltwundern gezählt werden müsste, was die geologische Geschichte und das Biosystem des Sees Þingvallavatn angeht. Ein Ort, an welchem man Erdgeschichte und Evolution hautnah erleben kann, ist von unschätzbarem Wert. Þingvellir liegt inmitten einer Fissurzone, die quer durch Island verläuft. Hier stoßen die eurasische und die amerikanische Erdplatte aufeinander, ihre ständige Bewegung äußert sich eindrucksvoll etwa in der Spalte Almannagjá. Seit dem Jahr 2004 gehört der Nationalpark zum Weltkulturerbe und wird alljährlich von zahllosen kulturell interessierten Besuchern und Naturliebhabern aufgesucht.