Schlafende Giganten
Die vielen Gletscher in Island sind Teil der Identität der Insel, immerhin bedecken sie ein Zehntel ihrer Gesamtfläche. Jeder Gletscher hat seinen eigenen Charakter, seine Geschichte, Tradition und geologische Phänomene. Manche von ihnen thronen auf einem aktiven Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann, mit den entsprechenden Konsequenzen.
Die meisten Isländer haben sich an die schlafenden Giganten in ihrem Garten gewöhnt und begegnen ihnen mit Staunen und Respekt.
Einen Gletscher zu besteigen ist eine Erfahrung, die man nicht auslassen sollte, doch lauern versteckte Gefahren bei solchen Unternehmungen, daher sollten sie wohlüberlegt und mit Hilfe von Profis vorbereitet werden. Denn auch wenn sie stoisch und friedlich aussehen, sind Gletscher ständig in Bewegung: dadurch entstehen neue Spalten, Risse und Abgründe, die grosse Gefahren für den Kletterer darstellen. Und wenn Sie denken, dass das isländische Wetter unvorhersehbar und erbarmungslos ist, dann lassen Sie sich sagen, dass es noch extremer auf einem Gletscher wird. Dennoch kann so ein Trip, richtig vorbereitet und begleitet, zu einer unglaublichen Erfahrung werden.
Nachfolgend seien Ihnen die 10 grössten Gletscher in Island vorgestellt.
1. Vatnajökull
Der Titan der Gletscher ist zweifellos der Vatnajökull, welcher allein 8 Prozent des Landes mit seiner Masse bedeckt. Er ist Heimstatt des höchsten Gipfels der Insel, Hvannadalshnjúkur mit 2.109.6 Metern und bewacht unter seinen Eismassen einige aktive Vulkane. Vatnajökull liegt im Südosten Islands. Seine Fläche beträgt 8,100 Quadratkilometer und die Eisdicke 400 bis 600 Meter. Damit ist er Europas grösster Gletscher dem Volumen nach und zweitgrösster Gletscher in Bezug auf seine Fläche.
Von Zeit zu Zeit verändert sich der schlafende Gigant, wenn einer seiner aktiven Vulkane erwacht. Grímsvötn ist der bekannteste unter ihnen. Mit schöner Regelmässigkeit bricht dieser Vulkan im Westteil des Gletschers aus, allein im 21. Jahrhundert bereits zweimal. Des weiteren sind Öræfajökull, Kverkfjöll und Bárðarbunga zu nennen, letzterer ist der Grösste unter ihnen.
Man glaubt dass diese Vulkane untereinander verbunden sind und dass die vulkanische Aktivität in ihnen periodisch erfolgt. Wissenschaftler sind der Ansicht, dass wir uns derzeit in solch einer Periode befinden.
Vatnajökull ist ein integraler Bestandteil des ihn umgebenden Ökosystems. Riesige Wassermengen fliessen von seinen eisigen Hängen in alle Richtungen und formen majestätische Wasserfälle und Gletscherseen. Sie alle liegen innerhalb des Nationalpark Vatnajökull, welcher vier Servicezentren für die vier Himmelvsrichtungen betreibt.
2. Langjökull
Der zweitgrösste Gletscher liegt im Westen des isländischen Hochlandes und heisst schlicht und ergreifend „langer Gletscher“. Er bedeckt eine Fläche von 953 Quadratkilometern und ist etwa 50 Kilometer lang. Sein höchster Punkt liegt 1450 Meter über dem Meeresspiegel.
Langjökull enthält zwei vulkanische Krater und eine hinreissend schönes Geothermalgebiet namens Hveravellir, östlich des Gletschers gelegen.
Bis vor kurzer Zeit konnte man einen Gletscher nur durch Anschauen von unten erleben, oder durch das Klettern auf seinen Gipfel. Isländische Unternehmer schufen nun jüngst eine dritte Dimension, sie gruben nämlich einen Tunnel in das Eis. Seit diesem Jahr ist es möglich, den Langjökull auch von innen zu besuchen, sein Herz zu fühlen und von Eis umringt zu sein.
3. Hofsjökull
Zwischen den beiden Riesen liegt der Hofsjökull, Islands drittgrösster Gletscher. Er bedeckt eine Fläche von 925 Quadratkilometern und misst 1765 Meter an seiner höchsten Erhebung. Hofsjökull ist auffallend in der Region, weil er eine fast runde Form hat und aus allen Richtungen gesehen werden kann. Eine Unzahl an Gletscherflüssen fliesst von seinen Hängen herab.Unter der 700 Meter dicken Eisschicht befindet sich eine grosse Caldera, von der jedoch in jüngster Zeit keine nennenwerte Aktivität ausgegangen war
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4. Mýrdalsjökull
Im Süden der Insel, nördlich von Vík í Mýrdal, befindet sich der viertgrösste Gletscher Islands, der Mýrdalsjökull. Er bedeckt eine Fläche von 600 Quadratkilometern und misst an seiner höchsten Erhebung 1498 Meter.
Mýrdalsjökull liegt zu grossen Teilen über der Katla, einem Vulkan, der alle 40 bis 80 Jahre ausbricht. Derzeit ist Katla überfällig, ihr letzter Ausbruch war im Jahr 1918. Im selben vulkanischen System befindet sich die grösste vulkanische Schlucht der Welt, die Eldgjá (Feuerschlucht) mit 270 Metern Tiefe und 600 Metern an ihrer breitesten Stelle.
5. Drangajökull
Islands nördlichster Gletscher ist Nummer fünf auf der Liste. Er liegt auf der abgeschiedenen Halbinsel Hornstrandir in den Westfjorden. Drangajökull ist einzigartig in Island, denn er ist der einzige Gletscher, der in jüngster Zeit nicht geschrumpft ist. Er bedeckt eine Fläche von 160 Quadratkilometern und ist auch der einzige Gletscher auf der Insel unter der 1000 Meter Höhenmarke.
6. Eyjafjallajökull
Islands berüchtigtster Gletscher mit seinen unaussprechlichen Namen ist der Eyjafjallajökull, dessen Eiskappe einen aktiven Vulkan bedeckt. Er misst an seiner höchsten Erhebung 1651 Meter und liegt im Süden der Insel.
Der Vulkan ist relativ aktiv, zuletzt brach er im Jahr 2010 aus und verursachte eine gigantische Aschewolke, die zu Störungen im internationalen Flugverkehr führte und dadurch weltweit finanzielle Schäden verursachte. Ausbrüche der benachbarten Katla folgen oft auf einen Ausbruch des Eyjafjallajökull. Fluggäste und Geschäftsleute haben daher das Schlimmste noch nicht erlebt.
Eine beliebte, allerdings ziemlich harte Wandertour über den Fimmvörðuháls liegt zwischen den beiden Gletschervulkanen.
7. Tungnafellsjökull
Der Tungnafellsjökull bedeckt den runden und steilen Berg Tungafell im Nordwesten des Vatnajökull. Der Gletscher hat eine Ausdehnung von 50 Quadratkilometern und erreicht eine Höhe von 1392 Metern. Tungnafellsjökulls vulkanische Aktivität ist kaum nennenswert, doch immerhin gab es in den letzten Jahren ein wenig Bewegung unter seinem Eis.
8. Þórisjökull
Südwestlich des Langjökull liegt der Þórisjökull mit einer Höhe von 1350 Metern und einer Fläche von 32 Kilometern. Zwischen dem Þórisjökull und dem benachbarten Vulkan Ok liegt Islands höchste Bergstrasse, Kaldidalur, von ihrem höchsten Punkt aus kann man etwa 700 Meter hoch auf den Gletscher steigen. Der Gletscher hat seinen Namen von einem Troll, der hier in einer Höhle gelebt haben soll.
9. Eiríksjökull
Nordwestlich des Langjökulls liegt Islands grösster Tafelberg. Eiríksjökull ist der neuntgrösste Gletscher des Landes. Er bedeckt eine Fläche von 22 Quadratkilometern und misst an seiner höchsten Stelle 1675 Meter. Der Berg ist einst durch eine subglaziale Eruption entstanden, gilt heute jedoch als schlafend.
Die Herkunft seines Namens ist umstritten. Manche Quellen sagen, er stamme von einer Gruppe von Outlaws, die in Höhlen am Berg gelebt und die Gegend mit Überfällen unsicher gemacht hätten. Eine Gruppe von Bauern soll sie bis auf einen – den Eiríkur – getötet haben. Dem Eiríkur sollen sie nur das Bein abgehackt haben, doch schaffte er es, auf seinen Händen zu entkommen. Eine grossartige Geschichte.
13. Snæfellsjökull
Aufmerksame Leser werden bemerkt haben, dass die Nummern zehn bis zwölf fehlen, doch es geht ja nicht um Grösse allein. Snæfellsjökull macht seine mangelnde Grösse durch Mystik und literarischen Ruhm wett. Einst verhalf der Schriftsteller Jules Verne dem Berg zu Weltruhm, in seinem Werk „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ im Jahr 1864, als er als tatsächlicher Eingang zum Erdinneren vorgestellt wurde. Auch wenn heute nicht mehr viele nach diesem Eingang suchen, so sind sie doch gefangen von den Wundern, die Verne einst zum Schreiben seines Klassikers animierten. Sie inspirierten sogar eine bizarre Grusszeremonie für Aliens im Jahr 1993, als sich eine Gruppe von 500 Menschen auf dem Gipfel des Berges versammelte, um die ausserirdischen Besucher, die als ganz sicher für den Ort angekündigt waren, begrüssen zu können. Immerhin die Aussicht auf das Umland war überirdisch. Die Überirdischen selbst indes blieben der Zeremonie fern.
Der Gletscher liegt auf der Spitze der Halbinsel Snæfellsnes und ist seit dem Jahr 2012 kein echter Gletscher mehr, denn in jenem Sommer war der Berg zum ersten Mal in seiner bekannten Geschichte komplett eisfrei.